Autor: Martin Kohler
  Erstveröffenlichung: "stereo journal" Nr. 70 4/2003
Die Anfänge der Stereofotografie in Deutschland
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       Junge, welche Stereoaufnahmen betrachtet (Ausschnitt 
        aus einem Kupferstich) 
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Welcher Stereoskopiker hat nicht schon einmal erlebt, daß Zuschauer einer Stereo-Projektion begeistert fragen, ob die 3D-Fotografie etwas ganz Neues sei, weil sie das noch nie gesehen haben. Sagt man dann, daß es die Stereoskopie schon über 150 Jahre gibt, sind sie ganz erstaunt.
Auch wenn es bereits im Mittelalter Hinweise gibt, daß sich Gelehrte und Maler mit dem dreidimensionalen Sehen beschäftigt haben, läßt sich 1838 als Geburtsjahr der stereoskopischen Idee bestimmen. Der englische Physiker Sir Charles Wheatstone hat sich in seiner Abhandlung in "Beiträge zur Physiologie des Gesichtssinnes" (Ch. Weatstone: Beiträge zur Physiologie des Gesichtssinnes, philos. transact, Jahrgang 1938. Bd. II pag. 371) mit dem räumlichen Sehen beschäftigt und zum Beweis seiner Theorien, das "Stereoscop" entworfen. Bereits ein Jahr später wurde seine Theorie von Dr. A. Franz in Deutschland publiziert (Dr. A. Franz. Pogg. Annal. Ergänzungsband I pag. 1 1939).
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       Spiegelstereoskop nach der Konstruktion von Wheatstone. 
        Über die beiden Spiegel in der Mitte kann der Betrachter gleichzeitig 
        das Bild auf dem linken und dem rechten Seitenbrett anschauen.  
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Ebenfalls 1839 wurden die ersten fotografische Verfahren veröffentlicht und 
  nach eigenen Angaben hat Wheatstone sich bereits noch im selben Jahr von W. 
  H. F. Talbot Stereoaufnahmen anfertigen lassen (Ch. Wheatstone, Contributions 
  fot the Physiology of Vision - Part the second S 156). Henry Collen, ein 
  berühmter englischer Fotograf berichtet in seinem Buch (1854) auf Seite 200: 
  
  "1841, war ich einer der wenigen, der es unternahm, Gebrauch von Herrn Talbots 
  neuer Erfindung zu machen. Nicht nur Herr Wheatstone hatte die Idee, photographische 
  Portraits für das Stereoskop zu machen. Ich selbst fertigte ein stereoskopisches 
  Doppelbild von Herrn Babbage, in dessen Besitz er noch immer ist; und wenn ich 
  mich recht erinnere, erhielt Herr Wheatstone schon zuvor einige Daguerrotypie-Portraits 
  für das Stereoskop."
  Im Bulletin der Brüssler Akademie berichtet im gleichen Jahr ein Herr Quetelet, 
  daß die Herren Collins und Wheatstone erklärt hätten, wie man stereoskopische 
  Aufnahmen anfertigt und auch gleich zwei stereoskopische Portraitaufnahmen zur 
  Begutachtung zeigten. (Bulletin der Brüsseler Akademie, Bd. VIII:2, 
  S. 160 - 161) 
Die ersten Stereofotos in Deutschland soll ein Ludwig Moser ebenfalls im Jahr 
  1841 in Königsberg gemacht haben. (Senf, Erhard: Entwicklungsphasen der Stereosfotografie 
  in "STEREOSKOPIE", Museum für Verkehr und Technik. Berlin 1989) 
   Nähere Angaben zu einer schriftlichen Quelle aber hatte ich bisher leider 
  nicht.
  Vor kurzem kaufte ich auf einem Antikmarkt das "Buch der Erfindungen, Gewerbe 
  und Industrien" von der Verlagsbuchhandlung Otto Spamer, Leipzig und Berlin, 
  1865. Mit ein Grund für den Kauf war, daß ich schon beim Durchblättern entdeckt 
  hatte, daß ein Kapitel sich mit Stereoskopie beschäftigt. Dieser war dann auch 
  höchst interessant geschrieben mit einigen informativen Details. Am meisten 
  faszinierte mich jedoch folgende Bemerkung auf Seite 213: 
  "In Deutschland hatte schon 1844 der Professor Moser photographische Bilder 
  für das Ste-reoskop angefertigt; sein Bericht darüber war in Dove's "Repertorium 
  der Physik" abgedruckt, aber natürlich dachte Niemand bei uns daran, so rasch 
  aus dem erworbenen Kapitale allgemeinen Nutzen zu ziehen. Da die Sache gedruckt 
  und registrirt war, war es gut."
  Das war spannend - eine Quelle zur Frühzeit der Stereofotografie in Deutschland! 
Nach einigem Forschen (u.a. im Internet) fand ich durch einen Telefonanruf heraus, daß in der Bibliothek des Deutschen Museums in München alle 8 Bände des "Repertorium der Physik" von Heinrich Wilhelm Dove vorhanden waren. Die zuständige Mitarbeiterin zeigte sich sehr hilfsbereit, ließ die Bände zu sich kommen und suchte nach dem entsprechenden Artikel. In Band 5 von 1844 wurde sie fündig.:
"Ueber das Auge" und 
  "Ueber das Schätzen der relativen Entfernung, die Beurtheilung des Reliefs u. 
  s. w. durch das Auge, und über das Stereoscop von Wheatstone."
  (Dove, Heinrich Wilhelm + Moser, Ludwig: "Repertorium der Physik" 
  Band 5, S. 377) 
  von L. Moser 
Es gab wohl damals unterschiedliche Meinungen bei den Forschern, wie der Mensch 
  räumlich sehen kann. So war z.B. ein Dr. E. Bruecke der Ansicht, daß der Eindruck 
  des Reliefs davon ensteht, "1) daß der Gesichtseindruck, der uns von einem 
  ausgedehnten Gegenstand zu-kömmt, kein momentaner sei, sondern das Aggregat 
  vieler, welche nach und nach von den verschiedenen Theilen erregt werden; 2) 
  daß wenn ein nach dreien Dimensionen ausgedehn-ter Gegenstand betrachtet wird, 
  die Convergenz der Sehaxen für dessen verschiedene Punkte sich ändert, und in 
  einem beständigen Schwanken zwischen dem nächsten und entferntesten Punkte bleibe." 
  (J. Müller, Archiv für Anatomie, Physiologie u. wissenschaftliche 
  Medizin. Berlin. Jahrg. 1841. p. 459)  Herr Moser schreibt nun seinem Artikel: 
  "In einer interessanten Abhandlung hat Wheatstone auf ein Moment beim Sehen 
  mit beiden Augen aufmerksam gemacht, das, so nahe es liegt, von keinem Forscher 
  bis jetzt eigentlich bemerkt und noch viel weniger in seinen wichtigen Folgen 
  gewürdigt worden ist. Es ist dies der Umstand, daß ein räumliches Objekt in 
  beiden Augen ungleiche Bilder entwirft, welche Ungleichheit zunimmt, je mehr 
  die beiden Augenaxen convergiren. ...... Die Thatsache von der Ungleichheit 
  der beiden Bilder eines und desselben räumlichen Objects erkennend, wurde Wheatstone 
  darauf geführt, in die-ser Ungleichheit ein Hülfsmittel des Auges bei der Beurtheilung 
  der Räumlichkeit oder des Reliefs zu erkennen." (Dove, Heinrich Wilhelm 
  + Moser, Ludwig: "Repertorium der Physik" Band 5, S. 377) 
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       Gerät von Wheatstone, das die Betrachtung von 
        Stereobildern im"Paralellblick erleichtert. 
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Herr Moser zählt deren mehrere solcher "Hülfsmittel" auf: "Vertheilung von Licht und Schatten, die sogenannte Luftperspective, durch welche die Malerei ihre Täuschungen hervorbringt; die Convergenz der Sehaxen und endlich die Ungleichheit der Bilder in beiden Augen" Wheatstone sieht letzteres als das Hauptsächliche an. "Dies zu beweisen, untersucht Wheatstone, welcher Erfolg stattfindet, wenn man den beiden Augen gleichzeitig zwei solcher ungleichen Bilder (jedem Auge das ihm entsprechende) darbietet......"
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       Betrachtungsapperat von Wheatstone um mit überkreutzem 
        Blick Stereoaufnahmen anzuschauen.  
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Diese beiden Bilder können entweder vor oder hinter dem Durchkeuzungspunkt der Sehachsen angebracht sein. Bei ersterem läßt er die Versuchsperson zuerst durch 2 Röhren schauen an deren Ende "die oben besprochenen zwei Perspectiv-Ansichten eines und desselben räumlichen Objects" angebracht sind. Bei letzterem muß der Betrachter sich auf eine Nadel konzentrieren und dann versuchen, die dahinterliegenden zwei Bilder zu erkennen. Aber die Resultate der Versuche bestätigen Wheatstones Theorie: "dann nimmt der Beobachter auch nur e i n e n Gegenstand aber von drei Dimensionen wahr, d.h. so wie das Object gewesen ist, von dem die Zeichnungen genommen wurden......Inzwischen ist es dem Gelehrten gelungen, ein Instrument zu erfinden, das von diesem Übelstand (Schwierigkeit, die Bilder stereoskopisch scharf zu sehen - Anm. d. Autors) frei und zugleich in seinem Gebrauch bequem ist, und dem er den Namen Stereoscop beigelegt hat."
 
  Wie dieser Bericht zeigt, ist Wheatstone damit nicht nur Erfinder des "Stereoskops", 
  sondern auch des Parallel- und Kreuzblicks (heutige Bezeichnung). 
Moser beschreibt nun ausführlich die Wirkungsweise und Handhabung des "Stereoscops", 
  die ich weglassen möchte, da diese dem Leser bekannt sein dürfte.
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       Zeichnungen von Charles Wheatstone zur Darstellung 
        des räumlichen Sehens (Schauen Sie diese doch selbst einmal mit einem 
        Stereoskop an!) 
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Das nächste Kapitel ist von Ludwig Moser überschrieben: 
  "Darstellung stereoscopischer Figuren auf photographischem Wege." 
Er schreibt: "Das Verfahren Daguerre's giebt das Mittel die complicirtesten 
  Gegenstände für das Stereoscop gezeichnet, und durch dieselben Effecte zu erhalten, 
  die zu den überraschendsten gehören. Als ich vor einigen Jahren mir dergleichen 
  Bilder anfertigte, war ich doch Anfangs über ihren Effect im Stereoscop ungewiß...... 
  Allein der erste Versuch hat mich eines Andern belehrt; der perspectivische 
  Eindruck auch des besten Bildes kommt kaum in Betracht gegen denjenigen, welchen 
  zwei entsprechende Bilder im Stereoscop machen, ...." Leider schreibt Moser 
  nicht, in welchem Jahr er seine ersten Stereoaufnahmen gemacht hat, aber nachdem 
  er nicht von ein oder zwei, sondern gleich von mehreren Jahren vor Erscheinen 
  des Artikels spricht, ist das Jahr 1841 sicherlich realistisch. Somit gehörte 
  er zu den frühesten Pionieren der Stereofotografie und war fast sicher der erste 
  Stereofotograf in Deutschland. Leider sind keine erhalten gebliebene Stereofotografien 
  von ihm bekannt. Das wäre sicherlich eine Sensation. 
  Ludwig Moser gibt im "Repertorium der Physik" auch gleich noch praktische 
  Anweisungen, wie Stereoaufnahmen herzustellen sind: "Auf einem hinreichend 
  großen Brette zeichne man ein gleichschenklichtes Dreieck, dessen Seiten 7 Zoll, 
  dessen Grundlinie 2 ½ Zoll (der Ab-stand der beiden Pupillen) ist, ........" 
  Umgerechnet ergibt das ein Dreieck von 6,35 cm Basis (= Augenabstand) und 
  17,78 cm Seitenlänge. Heute würden wir sagen, es war eine Macroauf-nahme mit 
  verbreiterter Basis. Der Stereoeffekt beim Betrachten der Bilder war dadurch 
  aber sicherlich sehr imposant. Weiter schreibt er: "Die Entfernung a (= Stereobasis 
  Anm. d. Au-tors) ist, wie ich gefunden habe, willkührlich; an eine Entfernung 
  des Objects von 6 - 8 Zoll hat man sich also durchaus nicht zu halten, ja das 
  Relief des Körpers erscheint sogar bedeutender, je größer die Entfernung a gewählt 
  wird. Unter solchen Umstäden kann man also eine Gegend oder entfernte Gebäude 
  mittelst der camera obscura für das Stereoscop aufnehmen. Ich habe dies mit 
  Gebäuden versucht, welche 2 bis 300 Fuss (=0,61 bis 91,44 m, Anm. d. Autors) 
  entfernt waren, und einen Effect erhalten, der sich schwer würde beschreiben 
  lassen, und der sich mit dem gewöhnlichen perspectivischen Eindruck, den gute 
  Bilder dieser Art schon einzeln gewähren, gar nicht vergleichen läßt. Zur Hervorbringung 
  eines so bedeuten-den Effects ist es nöthig, die Entfernung des Gebäudes zu 
  ermitteln, um für diese Entfernung die Basis des Dreiecks zu berechnen, an deren 
  beiden Endpunkten die camera obscura aufgestellt werden muß. Nachdem diese gefunden, 
  hat man den Punkt des Gebäudes zu ermitteln, auf welchen die camera obscura 
  zu richten ist, ein Punkt, der dadurch gegeben ist, daß eine Linie von ihm zur 
  camera obscura gezogen mit der Basis einen Winkel von 79° 49' zu bilden hat. 
  Hier ist also ein Winkelinstrument erforderlich." Wer Lust hat, nach diesen 
  Regeln zu fotografieren, der teile einfach die Entfernung zum Objekt durch 2,8 
  und das ergibt dann die Basis. 
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       Objektentfernung 
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       Stereobasis (ca.) 
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       2 m 
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       0,70 m 
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       5 m 
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       1,80 m 
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       10 m 
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       3,50 m 
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       50 m 
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       17,80 m 
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       100 m 
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       35,70 m 
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Ich habe eine kleine Tabelle gemacht, um Ihnen die Arbeit zu erleichtern. Wichtig 
  war Herrn Moser, daß die Kamera nicht parallel verschoben wird, sondern zum 
  Objekt gedreht. Es ist fast verwunderlich, daß die stereoskopischer Vereinigung 
  der beiden Bilder noch möglich ist. Vermutlich war es nur möglich, weil die 
  Dagerrotypien sehr klein wa-ren. Kein Wunder schreibt er selber, daß der perspektivische 
  Eindruck sich nicht beschreiben läßt. 
  Nun folgen noch Hinweise zum Betrachten: "Wenn man Bilder solcher Art, unter 
  Glas ge-setzt, ins Stereoscop gebracht hat, so kann man sie so wohl bei Tages- 
  als bei Kerzenlicht betrachten. Nur muss man für eine gleichmäßige Beleuchtung 
  beider Bilder sorgen, sich bei Anwendung von Tageslicht mit dem Rücken gegen 
  ein Fenster stellen, bei Anwendung von Kerzen zwei derselben nehmen." Bei 
  einem solchen Satz kommen fast nostalgische Gefühle in einem hoch. Nun folgt 
  noch eine Ausführliche Beschreibung, wie man ein möglichst gutes Ergebnis bei 
  der Anfertigung von Daguerrotypien bekommt. Leider war es mir nicht möglich, 
  zu Ludwig Moser weitere Informationen zu bekommen. Im Internet wurde ich nicht 
  fündig und nachdem ich eher "in der Provinz" wohne, habe ich auch keinen Zugang 
  zu Universitätsbibliotheken oder bedeutenden Archiven. 
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       Wegen der Konstruktion dieses Stereoskops kam es 
        zwischen Wheatstone und Brewster zu erbittertem Streit. 
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Ich möchte hier jedoch noch keinen Schlußpunkt setzen, denn auch die weitere 
  Entwicklung der Stereoskopie wird in dem: "Buch der Erfindungen, Gewerbe 
  und Industrien" auf andere Weise dargestellt wird, wie man sie heute kennt 
  (S. 212 - 213): "Wheatstone selbst ersetzte seinen Apparat (Stereoscop, Anm. 
  d. Autors) bald durch ein anderes Instrument, welches in seiner bequemen Handhabung 
  große Vorzüge vor jenem hatte. Statt der Spiegel wandte er, um die Bilder in 
  die Augen zu werfen, Prismen an, die er mit den brechenden Kanten einander zugerichtet 
  hatte....... So zweckentsprechend dieser Apparat auch war, so litt seine Herstellung 
  doch an einer großen Schwierigkeit. Es ist nämlich schwer, zwei völlig gleiche 
  Prismen, wie sie dazu verlangt werden, sich zu verschaffen." 
  In der heutigen Literatur wird das Prismenstereoskop jedoch Sir David Brewster 
  als Erfindung zugeschrieben. Wheatstone hat die Idee des Stereoskops meiner 
  Ansicht nach jedoch bereits in seiner ersten Veröffentlichung 1838 vorweggenommen, 
  in dem er Versuchspersonen zum Betrachten der beiden Bilder durch zwei Röhren 
  schauen ließ. Zum nächste Schritt, Prismen zur Ablenkung der Sehachsen zu benutzen, 
  war es dann nicht mehr weit. Ebenso verwendete man vermutlich Linsen, um die 
  relativ kleinen Daguerrotypie-Stereoaufnahmen besser betrachten zu können. Erst 
  der kommerzielle Erfolg von David Brewster und sein Anspruch, Erfinder des Stereoskops 
  zu sein, veranlaßten Wheatstone, diese Ehre für sich zu beanspruchen. 
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       Funktionszeichnung des Prismenstereoskops 
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 Der Streit eskalierte und 1856 veröffentlichte Brewster ein Buch mit dem Titel: 
  "STEREOSCOPE - ITS HISTORIY, THEORY, AND CONSTRUCTION". Darin versucht er Wheatstones 
  Verdienste zu schmälern durch historische "Textbeweise", daß bereits Euclid, 
  der Physiker Galen, Babtista Porta, Leonardo da Vinci und andere das Prinzip 
  des binocula-ren Sehens kannten und angewendet hatten. Wheatstone in seinem 
  Artikel 1838 also nur "alte Weisheiten wiederholt habe". Zum zweiten indem er 
  versucht, sich die Entwicklung des Ste-reoskops selber ans Revers zu hefteten. 
  So "berichtet" er in seinem Buch: ".......Herr Wheatstone schrieb1852 in 
  den Philosophischen Erledigungen ein Traktat über das Sehen, in welchem er sagte, 
  daß er als erster "einen Apparat benutzt hat in welchem Prismen verwen-det wurden 
  zum Umleiten der Lichtstrahlen, die von den (beiden, Anm. d. Autors) Bildern 
  ausgehen, um diese so erscheinen zu lassen, als stünden sie am selben Platz;" 
  und er (Wheatstone, Anm. des Autors) fügt hinzu: "Ich habe es strahlenbrechendes 
  Stereoskop genannt" Brewster schreibt dazu: "Aber, was immer Herr Wheatstone 
  mit Prismen gemacht hat und wann auch immer er es gemacht hat, ich war die erste 
  Person, welche eine Beschreibung des Stereoskops sowohl mit brechenden als auch 
  spiegelnden Prismen veröffentlicht hat." (d. Brewster, STEREOSCOPE - 
  ITS HISTORIY, THEORY, AND CONSTRUCTION, Cap. 1, 1856) Bei genauem Lesen 
  wird jedoch klar, er beansprucht nicht, die Idee gehabt zu haben, sondern nur, 
  diese als erster veröffentlicht zu haben. So berichtet er dann auch, wie über 
  ein Prismenstereoskop als gedankliche Weiterentwicklung von Wheatstones Ideen 
  gleich nach dessen Veröffentlichungen 1838 unter Forscherkollegen gesprochen 
  wurde".....ich mußte ihn (Herrn Wheatstone Anm. d. Autors) erinnern, daß 
  ich das Spiegelstereoskop zum ersten Mal sah beim Treffen der Britischen Vereinigung 
  in Newcastle, Mitte August 1838. Es ist nachgewiesen in meinem Brief danach, 
  in welchem er und ich sprachen über die Art der Prismen, an die er zu dieser 
  Zeit gar nicht gedacht hatte. Ich schlug Prismen zum Versetzen der Bilder vor 
  und Herr Wheatstone's selbstverständliche Antwort war, daß es achromatische 
  Prismen sein müssten. ....." Brewster behauptet zwar, der Vorschlag wäre 
  von ihm gekommen, es war aber wohl eher eine Diskussion unter Fachkollegen. 
  Keiner von beiden hat jedoch für nötig gehal-ten, diese Idee zu veröffentlichen, 
  sondern jeder forschte für sich weiter, bzw. versuchte auch selber, ein solches 
  Stereoskop von einem Optiker fertigen zu lassen. Um 1850 veröffentlichten dann 
  sowohl David Brewster (Account of a new stereoscope" 1849 - Description 
  of several new and simple stereoscopes... 1851), Charles Wheatstone (Ch. 
  Wheatstone, Contributions of the Physiology of Vision - Part Second...., S. 
  159) und Heinrich Wilhelm Dove (siehe Moritz von Rohr, Die binokularen 
  Instrumente..., S. 61 - 69, 1920) unabhängig voneinander Artikel zu einem 
  Linsen-, bzw. Prismenstereoskop. 
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       Spätere, offene Konstruktion eines Stereoskops 
        mit 2 Linsen 
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Als erste zusammenfassende Beschreibung über die Stereoskopie ist Brewster 
  Buch "STEREOSCOPE - ITS HISTORIY, THEORY, AND CONSTRUCTION" und seine Behauptung, 
  Erfinder des Prismenstereoskops zu sein, jedoch zur Grundlage der nachfolgenden 
  Forschun-gen und Berichte geworden. Alle schrieben munter ab und nur wenige 
  hinterfragten diesen "großen Pionier der Stereoskopie". Sicherlich war David 
  Brewster sehr wichtig für die Entwicklung der Stereofotografie, sein Beitrag 
  dürfte jedoch ein anderer sein, wie uns das "Buch der Erfindungen, Gewerbe und 
  Industrien" berichtet: "Aber auch dieser Uebelstand (Problem, gleiche Linsen 
  zu schleifen - Anm. d. Autors) wurde gehoben, denn der schottische Physiker 
  Brewster kam auf die geniale Idee, eine gewöhnliche Linse mitten auseinander 
  zu schneiden und die beiden völlig symmet-rischen Hälften an Stelle der Prismen 
  einzusetzen....... und wenn nicht der französische Sinn Gefallen an den reizenden 
  Wundern gefunden hätte, so wäre vielleicht heute noch das Stereoskop für das 
  große Publikum nicht vorhanden. Brewster kam im Herbst 1850 nach Paris und zeigte 
  seinen Apparat den dortigen Naturforschern........ Ausstellungen stereoskopischer 
  Bil-der durchwanderten Messen und Jahrmärkte, und jetzt findet sich das Stereoskop 
  als eins der beliebtesten Unterhaltungsmittel fast in jeder Familie......" 
  Eine sehr enthusiastische Schilderung, die vielleicht etwas übertrieben ist. 
  Doch leider müssen wir zugeben, daß wir von den Zuständen im Jahr 1865 heute 
  meilenweit entfernt sind. Kaum jemand kennt noch den Begriff Stereofotografie 
  und die Kunst selbst ist ziemlich in Verges-senheit geraten. Gerade zum 75-jährigen 
  Jubiläum der Deutschen Gesellschaft für Stereosko-pie sollten wir uns derer 
  erinnern, aber auch versuchen, ihr Erbe weiterzutragen.
  Aber auch Heinrich Wilhelm Dove, der Partner von Ludwig Moser und evtl. sogar 
  Miterfin-der des Linsen-Stereoskops verfaßte einen weiteren, eigenen Beitrag 
  zur Stereoskopie.
  Aus der Beobachtung heraus, daß die Räumlichkeit durch seitliche Verschiebung 
  eines gleichen Objekts entsteht schlug er vor: "....., zwei Drucke, über 
  deren Identität Zweifel herrschen, also verdächtige Kassenscheine(=Geldscheine, 
  Anm. d. Autors) und ächte (=echte, Anm. d. Autors), mit einander im stereoskopischen 
  Apparate zu betrachten. Jedes Heraustre-ten der Schrift oder der Zeichnung aus 
  der Ebene würde auf ein Falsifikat unzweifelhaft hindeuten. ....... " (Buch 
  der Erfindungen, Gewerbe und Industrien, Leipzig und Berlin 1865, S. 216; ursprünglich 
  erschienen in: Monatsberichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften, 
  1959 mit dem Titel: Die Anwendung des Stereoskops um ein Original von seiner 
  Kopie zu unterscheiden) 
  Da Heinrich Wilhelm Dove an mehreren Stellen Erwähnung gefunden hat, uns 
  Stereoskopi-kern eigentlich völlig unbekannt ist, möchte ich ihn als Person 
  noch kurz vorstellen (nachdem dies schon bei Ludwig Moser nicht möglich war). 
  Als Sohn eines Großkaufmanns in Liegnitz (heute Lebnica, Polen) erblickte er 
  am 6.10.1803 als elftes Kind seiner Eltern das Licht der Welt. Er studierte 
  Naturwissenschaften in Breslau und Berlin. Er promovierte 1826, habilitier-te 
  im gleichen Jahr in Königsberg und wurde Privatdozent für physikalische Wissenschaften 
  an der dortigen Universität. 1828 folgte die außerordentliche Professur der 
  Physik. Ein Jahr später kehrte er nach Berlin zurück und hielt Vorlesungen über 
  Physik, Meteorologie, Elektri-zität, Magnetismus und Farbenlehre an der Universität. 
  Daneben unterrichtete er noch am Friedrichs-Gymnasium, um ausreichend für den 
  Lebensunterhalt seiner Familie sorgen zu können. Er war bereits Meteorologe 
  von Weltruf, als er 1849 die Stelle eines "Wissenschaftli-chen Beirates bei 
  dem mit dem statistischen Bureau verbundenen meteorologischen Institute" im 
  Nebenamt bekam. Er setzte allein den von seinem Vorgänger begonnenen Auf- und 
  Aus-bau des meteorologischen Beobachtungsnetzes in Preußen fort. Persönlich, 
  zu Fuß oder per Postwagen, mit dem Normalbarometer auf dem Rücken, besuchte 
  er Stationen, um Me-ßinstrumente zu vergleichen und Stationsleiter zu beraten. 
  Neben dem bereits erwähnten "Re-pertorium der Physik" verfaßte er zahlreiche 
  weitere Arbeiten, vor allem im Bereich der Wet-terkunde. Am 4. April 1879 starb 
  Heinrich Wilhelm Dove in Berlin. Im Nachruf bezeichnete ihn die englische Zeitung 
  "Nature" als "Father of Meteorology". 
Ich hoffe, Sie haben meinen Artikel mit Interesse gelesen und daß ich etwas Licht ins Dunkel der Anfangszeit der Stereofotografie bringen konnte. Über Ergänzungen (vor allem zur Person Ludwig Mosers) und ggf. auch Berichtigungen wäre ich dankbar und werde versuchen, diese auch zu publizieren.